Kaum einer Reise habe ich dieses Jahr so entgegengefiebert, wie der nach Israel. Ich wollte mir endlich selbst einmal ein Bild von diesem faszinierendem Land machen. Meine Bedenken waren groß, die Liste meiner Fragen lang. Schon der Flug nach Israel ist anders. Mein guter Freund Kai und ich fliegen mit EasyJet von Berlin-Schönefeld nach Tel Aviv. Nach knapp vier Stunden Flugdauer setzt die Maschine zum Landeanflug auf den Flughafen Ben Gurion an. Wir schauen aus dem Fenster und sehen… nichts. Nichts? "Das ist die Wüste", sage ich selbstsicher zu Kai. Doch auch als wir nur wenige hundert Meter über dem Land schweben, sehen wir noch immer… nichts. Es ist einfach eine monotone Farbe hinter den Fenstern: Braun. Was ist hier los? Auch als das Flugzeug mit einem sanften Ruckler aufsetzt, sehen wir draußen… nichts. Wenn das das sonnige Israel sein soll, dann ist das aber ganz schön trist.
Wir verlassen das Flugzeug und es riecht nach… Staub? Im Flughafengebäude dann sehen wir auf den Bildschirmen recht schnell: Wir sind inmitten des größten, jemals gemessenen Sandsturmes gelandet, der von Syrien bis nach Ägypten reicht und seit heute auf unbestimmte Zeit das Sonnenlicht verdeckt, das Land unter einer Staubschicht begräbt und die Menschen zum Tragen eines Mundschutzes zwingt. Wow, das fängt wirklich gut an, so hatten wir uns unseren Urlaub nicht vorgestellt. Denn das sollte diese Reise in erster Linie sein: Urlaub.
Ein Sandsturm durchkreuzt unsere Pläne
Die Einreise hinter uns gebracht geht es mit dem Zug ins Zentrum von Tel Aviv. Schnell steht uns der Schweiß auf der Stirn, denn es ist wirklich verdammt schwül in Israel. Eine etwas ekelige Kombination mit dem Staub, der sich wegen des Sturmes auf den ganzen Körper setzt. Anyway! Wir besuchen einen Freund von Kai und werden bei ihm auch in den kommenden neun Tagen wohnen dürfen. Er arbeitet aber noch und so machen wir uns nur mit Handgepäck bepackt auf den Weg an den Strand. Wir müssen aber leider ernüchtert feststellen, dass es auch dort mit dem Sandsturm mehr als trist ist. Die folgenden vier Tage verbringen wir also erst einmal hauptsächlich in der Wohnung, da der Feinstaub des Sandsturmes gefährlich ist und wir draußen sowieso keine fünfzig Meter weit schauen können. Wie unglaublich ärgerlich…
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Nein, das ist wirklich kein Strandwetter… -
…aber ein Selfie muss trotzdem sein!
Der Sandsturm verschwindet… Auf in die Stadt!
…wir machen einen kleinen Zeitsprung, denn die nächsten Tage waren geprägt von Indoor-Zeitvertreib und Langeweile. Vier Tage später dann ist der Sandsturm zumindest so weit verflogen, dass wir uns gefahrlos nach draußen begeben können. Gleich machen wir uns auf den Weg in das moderne Zentrum der Stadt. Dazu muss man wissen: Tel Aviv heißt ausgeschrieben eigentlich Tel Aviv-Jaffa. Die Stadt setzt sich aus dem kaum einhundert Jahre alten Teil Tel Aviv und dem unfassbare 9.400 Jahre älteren Jaffa zusammen. Wer jetzt bei Jaffa an die leckeren Kekse mit Orangengelee-Füllung denkt, liegt richtig: Die kommen tatsächlich aus Jaffa, hier wachsen die berühmten Orangenbäume, die für den originalen Jaffa-Cake verwendet werden. Dazu aber später mehr.
Tel Aviv ist die Stadt der Märkte
Als die wohl pulsierendste und modernste Stadt des Landes, hat Tel Aviv wirklich eine Menge zu bieten! Insbesondere Essen hat in der Kultur dieses Landes einen extrem hohen Stellenwert und so findet man an wirklich jeder Ecke kleine Märkte, große Märkte, dicke Märkte, dünne Märkte… Du verstehst, was ich meine. Einer der größten Märkte der Stadt ist der Carmel Market, durch den wir jedes mal durch müssen, wenn wir in die Innenstadt oder zum Strand wollen. Der Markt hat jeden Tag von morgens bis abends geöffnet und ist zu jeder Zeit einen Besuch wert! In Tel Aviv prallen viele Kulturen aufeinander und das spiegelt sich natürlich auch im Essen wieder. Ob Baklava, Humus, tausende verschiedene Brote, Süßigkeiten und Backwaren ohne Ende oder auch Dinge, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und aus einem Reflex heraus auch irgendwie nicht probieren will: Die Auswahl, ob bekannte oder unbekannte Dinge, ist unglaublich:
Shopping und Party? Dann wirst du Tel Aviv lieben
Zugegeben, das ist beides nicht so meines aber ich kann das nicht unerwähnt lassen, wenn ich über Tel Aviv schreibe: Die Stadt ist ein Shopping-Mekka. Es gibt Malls und Einkaufsstraßen an jeder Ecke, Essen so weit das Auge reicht, sündhaft teure Boutiquen aber auch die üblichen Verdächtigen, die sich so auf jeder Einkaufsstraße tummeln. Ist das Shopping dann erledigt, beginnt das Nachtleben: Es gibt wahrscheinlich keine Stadt auf der Welt (oder zumindest die, die ich bisher bereist habe), in der man so gut und ausgelassen feiern kann, wie Tel Aviv. Seine Lage direkt am immer warmen Mittelmeer, das auch nachts unglaublich angenehme Klima und die Feierwut der Isralis machen die Stadt perfekt für`s Nachtleben. Die Stadt ist übersäht mit Clubs und Bars: Ob am Strand als Beachclub oder in den Hochhäusern mit grandiosem Ausblick, es erinnert mich an die aufgepimpten Parties bei CSI Miami. Wer die Serie einmal gesehen hat, weiß genau, was ich meine. Es wird übrigens sehr früh dunkel in Israel und erst dann scheint die Stadt wirklich zum Leben zu erwachen. Tagsüber so entspannt, wird Tel Aviv abends wach und dreht nachts so richtig auf. Oft enden die Nächte dann am Strand beim Sonnenaufgang. So eine Transformation habe ich bisher noch nirgendwo erlebt…
Jaffa: Tel Avivs zweite Hälfte
Wem das alles ein wenig zu bunt, zu sehr Highlife und zu aufgesetzt ist, der wird sich freuen: Tel Aviv hat auch noch ein ganz anderes Gesicht. Im Süden der Stadt befindet sich Jaffa, der alte Teil der Stadt. Ein Unterschied, wie er krasser nicht sein könnte. Und ja, beides ist Tel Aviv:
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Unfassbar, aber beides… -
…ist Tel Aviv
Jaffa ist der alte Teil der Stadt. Und "alt" ist hier wirklich, wirklich, wirklich alt! Wie schon gesagt: Zwischen diesen zwei Hälften der Stadt liegen fast zehntausend Jahre Menschheitsgeschichte. Während im neuen Tel Aviv die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden schießen und sich Hotels an teure Bars und Restaurants vor traumhaften Marinas und Häfen reihen, scheint in Jaffa die Zeit stehengeblieben. Auf einen Schlag hat man das Gefühl, in die Vergangenheit versetzt worden zu sein. Und beide Stadtteile sind fußläufig bequem mit einem Strandspaziergang zu erreichen.
In Jaffa kann ich euch die Free Walking Tour ans Herz legen! Dieses Konzept habe ich auf dem Blog schon mehrmals vorgestellt und unter anderem in Moskau, Prag, Jerusalem und Vilnius begeistert genutzt. Guides (in Israel braucht man eine Lizenz und muss dafür sogar mehrere Jahre Geschichte studiert haben) führen kleine Gruppen von Touristen fußläufig mit spannenden Geschichten und einer Menge Humor durch die Stadt, empfehlen Örtlichkeiten und Restaurants und stehen für alle Fragen bereit, die du dir nur ausmalen kannst.
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Der verzottelte Look kommt vom Strand… -
…unbedingt nach Stev fragen!
Ganz gratis ist das natürlich nicht, denn am Ende wird ein ordentliches Trinkgeld erwartet und das ist auch mehr als berechtigt! Israel ist mit spannender Geschichte dermaßen überladen, dass es für fünf Länder reichen würde und ich kann dir versprechen, dass dich eine solche Tour durch das biblische Jaffa nicht enttäuschen wird. Solltest du die Wahl haben, frage nach Stev und versuche, deine Tour mit ihr zu machen. Sie ist extrem lustig, aufgeweckt und hat wirklich Spaß an dem, was sie tut!
Ăśbrigens: Von Jaffa aus hat man einen traumhaften Blick auf das modere Tel Aviv! Das Titelbild dieses Artikels ist direkt von Jaffa aus entstanden. Wenn sich die Sonne langsam hinter den Wolken herabsenkt, die ersten Lichter zu flackern beginnen, die Stadt zu leben beginnt, dann kann man das alles ganz wundervoll von dieser zehntausend Jahre alten Uferbalustrade aus beobachten:
Die biblischen alten Gassen werden dann auch in Jaffa urplötzlich extrem lebhaft: Junge Menschen, ob Palästinenser oder Isralis, strömen auf die Straßen und verwandeln den alten Kern der Stadt in eine riesige Party. Eine sehr lebhafte Künstler- und Alternativenszene hat sich in Jaffa niedergelassen und das merkt man: Eine alternative Bar reiht sich an die nächste, ein Hinterhof neben dem anderen erwacht zum Leben und gleich hinter der nächsten Ecke gibt es schon wieder etwas Neues zu entdecken. Wir haben uns für diesen Abend die Anna Loulou Bar ausgesucht. Nicht erschrecken: Die Website der Bar sieht aus, als hätte sie ein Affe auf Drogen gestaltet. Die Bar beschreibt sich selbst als "irgendetwas zwischen Untergrundbar und kulturellem Zentrum". Der Laden ist brechend voll, hier tanzen Araber neben Juden und Moslems neben Christen. Niemanden stört hier Hautfarbe oder Religion, Herkunft oder Geldbeutel. Warum auch? Balsam für die deutsche Vorurteilsseele, die sich sowas aus den Nachrichten gar nicht vorstellen konnte. Als dann zwei junge Palästinenserinnen das Mikro ergreifen und auf sogenannten Elektro-Arab rappen, da fällt auch mir nichts mehr zu ein: Großartig!