Für uns Nicht-Afrikaner ist es ein leichtes, den Überblick über diesen Kontinent und seine Länder zu verlieren. Wie schier unglaublich groß dieser älteste aller Kontinente aber ist, das wird dir vermutlich erst bewusst, wenn du durch ihn reist und dir auf einer Karte einmal anschaust, wie viel Strecke du zurückgelegt hast. Erlaube dir mal einen Spaß mit diesem Tool und lege mal das ach so riesige Russland in den afrikanischen Kontinent, du wirst überrascht sein. Einen nicht unerheblichen Teil des westafrikanischen Namibia nimmt die namensgebenden Namib-Wüste ein. Die Wüste ist knapp zweitausend Kilometer hoch und etwa 160 Kilometer breit, sie ist also verflucht groß aber dafür relativ schmal. Passenderweise bedeutet Namib übersetzt „Ort, wo nichts ist“. Dass auch im Nichts durchaus etwas zu finden ist, darum soll es in diesem Reisebericht gehen. Auf gehts in die älteste Wüste der Welt!
Wie jeder Tag auf unserer zweiwöchigen Rundreise durch Namibia und Südafrika startet auch dieser extrem früh. Um fünf wird mit der Sonne aufgestanden. Dann werden die Zelte abgebaut, um halb sechs gibt es Frühstück, um halb sieben ruckelt unser Bus über die namibischen Straßen, sofern man die so nennen kann. Bereits am frühen morgen steht die Sonne schon hoch und brennt ohne eine einzige Wolke am Himmel auf uns herab. Die Klimaanlage muss zwischendurch ausgeschaltet werden, damit unser Bus nicht überhitzt. Also geht es eben mit offenen Fenstern und viel Staub im Wagen weiter. Unser Ziel für den heutigen Tag ist – du hast es erraten – die Namib-Wüste mit ihren unendlichen Dünen.
Der Tropic of Capricorn: Der südliche Wendekreis
Doch Namibia wäre nicht Namibia, wenn nicht auch der Weg das Ziel wäre und so gibt es auf der Strecke von Spitzkoppe bis hin zur den Dünen der Namib-Wüste den einen oder anderen lohnenswerten Stop zu erkunden. Mitten im Niemandsland – und ich meine hier wirklich absolutes Niemandsland – wartet unser erster kurzer Stop. Ein Schild prangt hier und markiert den südlichen Wendekreis, den „Tropic of Capricorn“. Hier steht die Sonne am Mittag des Tages im absoluten Zenit, also exakt „oben“. Solltest du auch mal hier sein, schau mal mittags auf deinen Schatten, er kommt wirklich exakt von oben und ist daher quasi nicht vorhanden. Irgendwie seltsam, wenn man mal genauer darüber nachdenkt… Gleichzeitig markiert der südliche Wendekreis auch das Ende der Tropen und den Beginn der sogenannten „gemäßigten Zone“. Gut bei knapp 45 Grad ist hier so gar nichts gemäßigt aber ein kurzer Fotostop lohnt dennoch.
Der Kuiseb Canyon: Na wenn man schon mal hier ist…
Knappe fünfzig Kilometer weiter gibt es ebenfalls wieder einen kurzen Stop zum Beinevertreten und Blickschweifenlassen. Der erste Canyon wartet auf uns. Zugegebenermaßen ist er relativ wenig spektakulär aber da er direkt an der Straße liegt, ist hier ein kurzer Blick schon lohnenswert. Der vier Millionen Jahre alte Kuiseb Canyon beherberge eins den Kuiseb-Fluss, der mittlerweile aber ausgetrocknet ist. Er bietet eine natürliche Grenze zwischen dem bisherigen beigen Sandgestein des namibischen Ödlandes und dem orangefarbenen Sand der Namib-Wüste, die gleich hinter diesem Riss in der Landschaft beginnt.
Interessanter als die Optik ist hier dir Historie: Wir erfahren von den deutschen Geologen Henno Martin und Herrmann Korn, die bei Kriegsausbruch 1938 in diesem Canyon Zuflucht suchen und sich unfassbare zwei Jahre dort versteckt halten. Wer einmal hier stand muss sich zwangsläufig fragen, wie zur Hölle sie das mit quasi keinem Wasser und nur wenig Nahrungsquellen so lange ausgehalten haben, mir reicht bei dieser Hitze schon der kurze Zwischenstopp. Uns wurde diese spannende Geschichte vor Ort erzählt, Henno Martin hat dazu aber einige Jahrzehnte später ein Buch verfasst, das du hier kaufen kannst.
Der Sesriem Canyon: Ein Riss im Niemandsland
Weitere 180 Katzensprung-Kilometer weiter südlich wartet ein weiterer Canyon. Diesmal hört er auf den Namen Sesriem-Canyon. Diesmal ist das ausgetrocknete Flussbett „nur“ knapp fünf Millionen Jahre alt. Der Canyon an sich ist deutlich canyoniger und enger. Er ist knapp dreißig Meter tief, einen Kilometer lang und nur wenige Meter breit. Weniger Meter breit? Das heißt Schatten! Also nichts wie rein da!
Sesriem kommt übrigens vom deutschen „Sechs Riemen“, da die ersten Siedler dort sechs Riemen aneinanderknüpfen mussten um Wasser aus dem Canyon schöpfen zu können. Von außen ist der Canyon schwer zu erkennen, da er eben recht schmal ist. Wenn du also mit dem Auto vorbeifährst, vertraue mehr auf dein Navi als deine Augen, du könntest ihn übersehen. Unter uns? Wenn du ihn übersiehst, hast du nicht wirklich etwas verpasst aber es schadet auch nichts, hier einmal ein bisschen herumzuschländern und sich die Jahrmillionen alten Gesteinsformationenen einmal mit eigenen Augen anzuschauen.
Düne 45: Das Model unter den Dünen
Weitere fünfundvierzig Kilometer später, wir haben mittlerweile die Namib-Wüste erreicht, rollen wir langsam vor der schieren Masse der Düne 45 aus. Es ist die vermutlich bekannteste Sanddüne der Welt, sie ist auf Grund ihrer ästhetischen Form und ihres tollen Umlandes Drehort zahlloser Wüstenfilme, Windows-Desktophintergrundmotive und vermutlich auch Titelfoto aberdutzender Namibia-Reiseführer und -Kataloge. Ihr unspektakulärer Name rührt übrigens daher, dass sie schlicht einfach die 45ste Dühne der Namib vom Atlantik aus gesehen ist. Na nun rate mal, wie ihre Nachbarn heißen…
Düne 45 mag vielleicht nicht die höchste Düne weit und breit sein, aber sie ist verhältnismäßig leicht zu besteigen und durch ihre besonders schöne Form ein sehr schönes Fotomotiv. Wenn du die Düne 45 besteigst, scheint sie erst einmal überschaubar hoch zu sein. Sie ist es nicht! Der Aufstieg ist verdammt anstrengend, nimm also mindestens 1,5 Liter Wasser pro Person und mindestens (!) eine Stunde Zeit inklusive Auf- und Abstieg mit nach oben! Am besten ist es natürlich früh morgens hochzuklettern, wenn die Sonne noch nicht so hoch steht und die Hitze entsprechend erträglicher ist. Der Ausblick von dort oben ist wirklich überwältigend und hat Zeit verdient. Es darf sich ja so einiges auf der Welt "Wüste" schimpfen, aber dieses Fleckchen Erde hat den Namen wirklich verdient!
Big Daddy / Sossusvlei / Dead Vlei
Einige wenige Autominuten weiter nur erwartet uns dann das Highlight des Tages und vielleicht sogar der optische Höhepunkt unserer Rundreise durch Namibia: Sossusvlei, Deadvlei und Big Daddy. Die beiden Vleis ("Pfannen") sind von Sanddünen umschlossene Salz-Ton-Pfannen, Big Daddy ist die höchste Sanddüne der Welt. Und als hätte sie jemand bewusst in die Wüste gesetzt, liegen sie auch noch direkt nebeneinander. Bis einige Kilometer vor die Vleis und die Düne kommst du mit einem normalen Auto ohne Probleme, für die letzten Kilometer werden 4x4-Shuttles angeboten, die dich für 170,00 NAD (ca. 10,49 Euro) hin und wieder zurück bringen. Die letzten ca. 800 Meter zu diesem Schauspiel musst du allerdings zu Fuß zurücklegen.
Du hast ganz sicher schon einmal eines der typischen Bilder mit endlos blauem Himmel, einer Salzpfanne mit Dünensand und seltsam anmutenden, schwarz-abgestorbenen Bäumen gesehen? Nun, dann weißt du jetzt auch, was dich im Dead Vlei erwartet. Diese Bäume sind mehrere tausend Jahre alt, sie verwittern auf Grund der klimatischen Bedingungen nur extrem langsam. Wieder einmal ein tolles Beispiel dafür, wie schön "Nichts" sein kann:
Apropos "Nichts": Den Zahn, dass du dort alleine sein wirst, muss ich dir leider ziehen. Die Vleis gehören zu den beliebtesten Fotospots auf dem afrikanischen Kontinent und da sie mit dem Auto zugänglich sind, wimmelt es dort von …genau… Chinesen. Damit du diese Naturschönheit ganz für dich alleine genießen kannst, musst du schon ein gutes Stück laufen, aber du wirst deinen Spot finden.
Alternativ kannst du natürlich auch Big Daddy heraufstiefeln, die mit 380 Metern höchste Düne der Welt. Dort oben wirst du so gut wie sicher deine Ruhe haben. Wir haben das leider mangels Zeitdruck nicht getan, aber ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob ich das meiner Kondition zugetraut hätte: Das Laufen im tiefen Sand unter gleißender Sonne ist nicht ohne. Überlege es dir also gut, ob du dort hinaufkraxeln möchtest.
Leider hatten wir an diesem Tag eine sehr enge Taktung und mussten für unseren Geschmack viel zu schnell weiter. Dieser Ort mitten in Namibia ist wirklich ein ganz besonderer und er verdient mehr Zeit! Genieße die Landschaft, lasse sie auf dich wirken! In unmittelbarer Nähe gibt es leider keine Übernachtungsmöglichkeiten, aber am Sesriem-Canyon liegt eine sehr schicke Lodge, in der du auch übernachten kannst. Alternativ befindet sich gleich daneben auch eine etwas preisgünstigere Zeltlodge oder auch ein Campingplatz. Das lässt dich dieses Highlight von Namibia zu verschiedensten Sonnenständen und sogar unter dem absolut dramatisch-schönen Sternenhimmel erleben. Aber auch hier gilt: Buche früh, die Schlafgelegenheiten hier sind sehr begrenzt und sehr beliebt!