Kein Israel-Besuch ohne Jerusalem! Die heilige Stadt dreier großer Weltreligionen ist das Highlight eines jeden Israel-Touristen. Doch ist das so? Mein guter Freund Kai und ich haben uns für zwei Tage auf den Weg in die ewige Stadt gemacht. Nur knapp 70 Autobahnkilometer von der pulsierenden Küstenstadt Tel Aviv entfernt, liegt Jerusalem. Die recht kurze Fahrt im bequemen und klimatisierten Egged-Bus kostet umgerechnet knapp fünf Euro. Für ein sonst so unglaublich teures Land wie Israel ist das sagenhaft günstig. Ein freies und fixes WLAN ist hier wie quasi in sämtlichen öffentlichen Fortbewegungsmitteln übrigens auch mit an Board. Die Fahrt verläuft entspannt und dauert bei entsprechender Verkehrslage auf der Autobahn keine 45 Minuten. Israel hat in etwa die Größe Hessens und so sind kurze Wege ein großer Vorteil dieses Landes.
Jerusalem: Geteilt in West und Ost
Jerusalem. Die Stadt der Ewigkeit, die heilige Stadt. Knapp achthunderttausend Menschen leben hier. Israels bevölkerungsreichste Stadt ist also in eine Größenordnung mit z.B. Frankfurt am Main zu setzen. Die Stadt ist unterteilt in einen West- und einen Ostteil. Während der Westen mehrheitlich von Juden bevölkert wird, wird das Stadtbild und die Bewohnerschaft im Osten hauptsächlich durch Muslime geprägt. Und hier setzt auch schon die Brisanz in dieser Stadt an: Sowohl Israelis als auch Palästinenser beanspruchen Jerusalem als Hauptstadt, so heißt es im Osten also schon mal "Heute ist es sehr warm in Palästina", während man im Westen nun mal von Israel spricht. Das soll uns Touristen aber nicht weiter stören, es gibt weder Grenzübergänge noch Kontrollen, der Übergang verläuft unsichtbar und fließend, nur das Stadtbild ändert sich. Dennoch sollte man es sich als Tourist vielleicht eher verkneifen, sich in diese Thematik einzumischen. Mehr dazu in meinem Artikel Ist Reisen nach Israel sicher oder gefährlich?.
Unser Bus rollt im zentralen Busbahnhof der Stadt im Westen ein, unser Hotel jedoch liegt in Ost-Jerusalem. Da wir nur diesen einen vollen Tag für die Stadt haben, entscheiden wir uns, ohne Umschweife direkt in die historische Altstadt zu schlendern, um die es in diesem Bericht auch vornehmlich gehen soll. Warum auch nicht? Denn schließlich liegt sie exakt auf dem Weg zwischen dem Busbahnhof in West-Jerusalem und unserem Hotel im Osten:
Vom Busbahnhof sind es etwa zwei Kilometer zu Fuß. Die Flaniermeile Jaffa Road mit einem interessanten Mix aus nahöstlichen Marktgassen und westlichen Boutiquen lässt auch diese knapp dreißig Minuten Fußweg wie im Fluge vergehen. Sie zieht sich durch Jerusalem's Neustadt und wenn du sie gemütlich entlang schländerst, landest du zwangsläufig vor den majestätischen Toren Alt-Jerusalems.
Bei knapp 42 Grad Celsius ist das allerdings kein Zuckerschlecken. Das weiß wohl auch die Stadtverwaltung und so gibt es tatsächlich ab und an an den Straßenseiten kleine Düsen, die alle paar Minuten etwas Wassernebel ausspucken.
Wie auch schon in Prag , Vilnius und Tel Aviv vertrauen wir auch in Jerusalem auf die vorzüglichen Tourguides von Sandemans Free Tours. Diese Touren basieren auf freiwilligen Zahlungen am Ende der Tour, die selbstverständlich gegeben werden sollten. Der Preis variiert natürlich von Land zu Land und sollte von der Qualität des Guides abhängen. Yarif, unser Guide, ist die Expertise in Person und verpackt sein geballtes Wissen in jede Menge Witz und Charme. Eine klare Empfehlung für drei unterhaltsame Stunden in den heiligen Mauern Jerusalems!
Hinter den Mauern: Die Altstadt
Die Altstadt von Jerusalem erstreckt sich über eine Fläche von nur etwa einem Quadratkilometer. Umgeben ist sie von prächtigen, haushohen Mauern, die allerdings aus dem 16. Jahrhundert stammen, wohingegen viele Straßenzüge, Gebäude oder Kirchen bis zu mehrere tausend Jahre alt sind. Schon nach dem Gang durch eines der vielen Eingangstore spürt man regelrecht, wie man in abertausende Jahre Menschheitsgeschichte eintaucht. Die Gassen werden eng und verwinkelt, der Stadtlärm verstummt. Schnell wird klar: Ohne Guide würden wir uns blitzschnell verlaufen. Da die Gassen auch über- und untereinander herführen, funktioniert auch die sonst so zuverlässige GPS-Navigation via Smartphone hier nicht wirklich.
Das ist übrigens kein Witz: Man kann sich in der Altstadt von Jerusalem wirklich sehr leicht verlaufen! Das GPS hilft dir da auch nicht weiter und wenn du nicht gerade hebräisch lesen kannst, bist du auch mit Schildern aufgeschmissen. Hier hilft eigentlich nur eine Karte der Touristeninformation oder jede Menge Geduld. Ich hatte übrigens beides nicht.
Vier Welten auf engstem Raum: Die vier Quartiere
Die Altstadt von Jerusalem ist nicht mal einen Quadratkilometer groß, doch der hat es in sich! Noch nie zuvor habe ich so unterschiedliche Welten auf so einem engen Raum erlebt. Unterteilt ist die Altstadt in vier Quartiere: Das Armenische, das Christliche, das Muslimische und das Jüdische. Während hinter der einen Gasse noch die Kirchenglocken läuten, ruft der Muezzin hinter der anderen zum Gebet. Armenische Händler bieten ihre Waren zum Verkauf und einige Meter weiter stehen himmelwärts gewandt orthodoxe Juden und beten vertieft.
Und als ob das nicht schon genug Kultur wäre, biegen wir in eine tiefe Unterführung ein und vor uns erstreckt sich der Cardio, die heute freigelegte ehemalige Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit. Haben wir in der einen Sekunde noch Weihrauch in der Nase, riecht es hinter der nächsten Ecke nach Wasserpfeifen und süßem Gebäck. Wenn man sieht, wie friedlich die Religionen hier auf allerengstem Raum zusammenleben, muss ich mich eindeutig fragen, warum das gefühlt überall sonst in der Welt nicht zu klappen scheint…
Ob die heilige Aqsa-Moschee im muslimischen Viertel, die gewaltige Klagemauer im jüdischen Quartier, die Grabeskirche des Jesus Christus im christlichen Gebiet oder auch der goldene Felsendom als heilige Stätte aller Religionen: Diese Altstadt platzt förmlich vor heiligen und beeindruckenden Stätten. Zu jedem dieser Sehenswürdigkeiten könnte man Bände schreiben aber manchmal müssen auch Bilder genügen. Übrigens ein gutes Stichwort: Viele der beeindruckenden Monumente darf man nicht fotografieren. Weder von außen noch von innen. Und bei den wenigen, bei denen man es darf, ist es alles andere als leicht: Die Gassen sind derart eng und überfüllt mit Menschen, dass man selbst mit einem Weitwinkelobjektiv nur schwer zu einem guten Foto kommt. Schade…
Die Klagemauer: Heiligtum aus Stein
Es gibt die Art von Orten, die schreibt man sich auf seine imaginäre Einmal-im-Leben-sehen-Liste. Die Klagemauer steht auf meiner. Nachdem Kai und ich uns durch die verwinkelten Gassen gekämpft haben, gelangen wir schließlich auf einen großen, freien Platz voller Menschen. Naja fast. Zuerst einmal geht es, wie in Israel üblich, noch einmal durch eine Sicherheitsschleuse: Taschen leeren, Gürtel aus, Arme spreizen und scannen lassen. Mehrere grimmig aussehende Soldaten beobachten uns dabei, die Maschinenpistolen im Anschlag. Endlich durch, stehen wir vor einer Mauer. Aha. Wer sich jetzt vorgestellt hat, die Klagemauer sei irgendwie spektakulär, vergoldet oder wird von diamantenen Einhörnern bewacht, der irrt. Sie ist in erster Linie das, was sie zu sein scheint: Eine Mauer.
Ihr recht unspektakuläres Äußeres soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass von ihr eine ganz eigene Erhabenheit ausgeht. Das klingt geschwollen aber die vielen hundert Männer und Frauen, die tiefgläubig an die Mauer gelehnt ins Gebet vertieft sind, machen die Mauer zu dem was sie ist: Einem Heiligtum.
Wir nähern uns der Mauer andächtig doch je näher wir ihr kommen, umso unruhiger wird es um uns herum. Was ist los? Wir ernten missbilligende Blicke von allen Seiten und als uns eine Frau ruppig an den Schultern packt, wird uns klar: Wir haben uns auf der Frauenseite der Mauer genähert, wie unendlich peinlich! Denn das Beten an der Mauer ist völlig offensichtlich nach Geschlechtern getrennt und wir laufen prompt auf die falsche Seite. Einer der Momente, in denen man am liebsten im Erdboden versinken würde.
Nach diesem Fauxpas verlassen wir Alt-Jerusalem durch den Ostausgang. Wir steigen die Erhöhung herab und laufen durch das Tal der Könige zu unserem Hotel. Wie episch kann ein Weg zum Hotel eigentlich noch sein, als an der Erlöserkirche und dem Felsendom vorbei durch das Tal der Könige? "Und wo habt ihr in Jerusalem gewohnt?" "Ach du, nix besonderes. Nur direkt am Tal der Könige…"
Ein Tag reicht, um an den Oberflächen dieser heiligen Stadt zu kratzen! Wer in das Detail gehen möchte, der könnte hier ganze Wochen verbringen. Rückblicken haben wir uns etwas geärgert, nur so wenig Zeit in dieser extrem spannenden Stadt verbracht zu haben. Die jüdischen Neujahresfeiertage haben uns leider dazu gezwungen denn im Gegensatz zu unseren Feiertagen, arbeitet in Israel dann wirklich niemand. Also niemand niemand. Deshalb mussten wir bereits nach zwei Tagen die Rückreise nach Tel Aviv antreten. Schade, denn die Stadt hätte so viel mehr Zeit verdient. Und gebraucht.
Also: Solltest du jemals nach Jerusalem kommen, nimm dir Zeit! Tel Aviv ist die Spannende, die Hippe und die Schöne. Die Glitzernde und die Sonnige. Jerusalem hingegen die Altehrwürdige, die Historische und die Beeindruckende. Die Stadt, wo jeder Meter eine Geschichte erzählen möchte. Wenn das keine Kombination für deinen nächsten Städtetrip in die Sonne ist, na dann weiß ich's auch nicht…
Wahnsinn was du geschrieben hast einfach 1A klasse . Das ist mein größte wünsch ein mal nach Israel. Habe ich sehr genossen zu lesen. Lieben dank. Teresa