Was für Erwartungen kann man an einen Ort haben, der sich „Tal des Todes“ nennt? Von den tausende Meter hohen Bergen rollen wir mit unserem Auto gemächlich die Serpentinen des Tioga Passes hinunter. Minütlich wird es wärmer, die Luft trockener, die Sonne erbarmungsloser. Fünfundzwanzig Grad, wenige Minuten später sind es schon fünfunddreißig Grad und gegen Nachmittag werden es fünfundvierzig sein. Ich habe früher Klimaanlagen stets belächelt, seit Australien aber allerspätestens seit heute war ich selten um eine Erfindung dankbarer, als um unsere Klimaanlage im Auto. Auch wenn wir den Spritverbrauch wegen der großen Distanzen gut kalkulieren müssen: Die Klimaanlage muss sein. Selbst der kurze, obligatorische Stop vor dem „Eingangsschild“ kostet uns enorme Überwindung, aber man ist ja nur einmal hier:
Das Death Valley hat seinen Namen eben nicht von ungefähr, es ist der heißeste Ort des Planeten. Knapp 57 Grad wurde es hier in der Vergangenheit: Weltrekord! Ein ehemaliges, ausgetrocknetes Meer, dessen tiefster Punkt knapp 86 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Es ist eine wirklich erbarmungslose Senke und ein gigantisches Fleckchen Nichts, zerschnitten bloß von einer einzigen, schnurgraden und monotonen Straße.
Und auf genau der Straße fahren wir seit einer gefühlten Ewigkeit entlang. Kein Mensch scheint sich in diese Mondlandschaft zu verirren, keine Pflanze zu wachsen und auch kein Tier begegnet uns. Nicht mal Insekten können wir entdecken. Ganz einfach nichts.
Und dennoch, trotz des vielen Nichts, gibt es im Death Valley einiges zu entdecken! Knapp achtundzwanzig Stops, Aussichtspunkte und Momente zum Staunen bietet dieser über 13.000 Quadratkilometer große Nationalpark. Darunter so klangvolle Namen wie Artist’s Palette, Badwater Basin, Telescope Peak oder Devil’s Golf Course. Da war auf jeden Fall jemand sehr kreativ in der Namensgebung. Schnell wird uns jedoch klar: Wir werden in unseren anderthalb Tagen im Tal nur einen Bruchteil sehen können. Also konstruieren wir uns eine Route, die uns vom Yosemite kommend an möglichst vielen Punkte im Tal vorbei führt und schlussendlich in Las Vegas endet.
Eine rustikale Unterkunft im Death Valley
Nach etwa zwei Stunden Fahrt durch das Tal (gesegnet sei der Tempomat) halten wir unter knirschendem Schotter vor unserer Unterkunft im Death Valley. Mitten in diesem Niemandsland gibt es tatsächlich eine kleine Ansammlung von Hütten, einen großen Wassertank, einen Minimarkt, eine klitzekleine Tankstelle und eine Hand voll Zelte. Uns ist es ein absolutes Rätsel, wie man bei diesen Temperaturen auch nur eine Sekunde in einem Zelt überleben will aber das ist auch gar nicht unser Problem, denn für diese Nacht quartieren wir uns in einer der klimatisierten Holzhütten ein. Das ist übrigens auch nötig, denn im Death Valley wurde vor wenigen Jahren mit 41,7 Grad die weltweit höchste Nachttemperatur gemessen. Die spartanischen aber sehr gemütlichen und sauberen Hütten findest du hier:
Filmreif: Die Mesquite Sanddünen
Am nächsten Tag starten wir früh in das Death Valley. Temperaturen jenseits der 40 Grad sind angesagt und lieber haben wir noch etwas vom „kühlen“ Morgen. Unser erster Stop sind die Mesquite Sand Dunes, dem einen oder anderen vielleicht unter anderem bekannt als Tatooine aus der StarWars-Reihe. Bis zu 50 Meter hoch türmt sich hier der Sand auf. Besonders eigenartig, da es ansonsten im ganzen Tal keinen Sand gibt. Warum also hier? Das wissen wir nicht, genießen aber dennoch die Farben und lassen die Natur auf uns wirken.
Hier treffen wir dann auch auf die ersten Touristen. Noch sind nur die ersten Wagemütigen hier, die clever genug waren, der Mittagssonne zuvorzukommen. Hier und da hält ein Auto, aber auf den Sand oder gar wenige Meter weiter, trauen sich schon nur die Wenigsten: Schon jetzt um sieben Uhr morgens flimmert die Hitze vom Boden hinauf.
Früh in den Tag zu starten war genau die richtige Entscheidung. Überall signalisieren knallrote Warnschilder in diversen Sprachen, jegliche Art von Wanderung oder auch nur einen Spaziergang nach 10 Uhr morgens zu unterlassen. Lebensgefahr. Absolut nachvollziehbar…
Auch das Death Valley ist teils überlaufen
Das Auto ist sowieso tatsächlich die einzig mögliche Art der Fortbewegung. Für alles andere liegen die Hotspots einfach viel zu weit auseinander. Das macht das Innere des Nationalparks leider auch sehr einfach zugänglich für die üblichen Hinfahr-aussteig-Selfiemach-einsteig-Touristen oder die noch weniger erträglichen Touristenbusse, die ein Schwall asiatischer Touristen an jeder schönen Stelle ausspucken, ihnen dann mit laufendem Motor dreißig Sekunden für ihre… ja genau… Selfies lassen und dann weiter zum nächsten Punkt gurken. Das nimmt vielen Orten ihre Magie. Auch wir lieben es, Fotos zu machen, aber erstens nehmen wir uns für jedes Bild die Zeit, die es verdient und zweitens möchten wir auch ungeachtet der Fotos den Ort und den Moment einfach in uns aufnehmen und verinnerlichen. Hier, wie auch im Yosemite oder an unendlich vielen anderen Orten der Welt scheint es nur noch um das schnelle Foto zu gehen. Das wird weder dem Ort noch der Fotografie gerecht.
Jetzt in diesem Artikel ein Highlight nach dem anderen zu beschreiben, das möchte ich nicht. Das Death Valley ist viel mehr als Ganzes zu sehen. Es lohnt wirklich, während der Durchquerung auch mal links und rechts der Strecke Ausschau zu halten und nicht selten halten wir auch zwischen den eigentlichen Stops an und schalten den Motor aus.
Dann nehmen wir die Stimmung auf, lassen die Leere und die Weite auf uns wirken und fangen dann mit Kamera und Drohne ein, was eigentlich nicht einzufangen ist:
Besonders beeindruckt aber hat uns ein Fleckchen namens Devils Golf Course, also der Golfplatz des Teufels. Er ist natürlich kein Golfplatz sondern ein ehemaliges und vollkommen ausgetrocknetes Meer. Zu erreichen ist der "Meeresboden" nur über eine stark holprige Schotterstraße (Pff, wir haben ja eine Unterbodenversicherung) inmitten einer gigantischen Talsenke. Schwer vorstellbar, dass hier vor Jahrmillionen mal Wasser war, dass hier überhaupt mal irgendetwas gelebt hat.
Wir stellen den Motor aus und wieder… Nichts! Aberdutzende Kilometer in jede Richtung befinden sich Salzablagerungen in unendlicher Monotonie. Milliarden müssen es sein. So viele, dass nur ein Bild aus der Luft zeigen kann, wie beeindruckend es sein kann, auf dem Grund eines ausgetrockneten Salzmeeres zu stehen. Na? Wo ist Waldo?
Viel zu sagen gibt es zu diesem Tal tatsächlich nicht. Eigentlich ist es nur ein ziemlich trostloses und abgelegenes Fleckchen Erde mit hier und da ein paar Touristen zu viel. Eigentlich. Aber auch hier gibt es sie noch: Die Orte zum Staunen, man muss sie nur finden! Mit einem letzen Bild aus dem Death Valley verabschieden wir uns und fragen: Wie kann Nichts eigentlich so schön sein?
Komisch, dass ihr euch über die Touristen so beschwert, wenn ihr doch selber die Klischee-Touris seid, die am Rande der Nationalparks in Hotels und Glamping-Hütten übernachtet... Sehr ironisch. Schnappt euch mal ein Zelt oder schlaft hinten im Auto mitten in den Nationalparks auf den State Campgrounds und das wären eure Kommentare und euer Frust gegebenenfalls noch etwas angebrachter.