Ich will gar nicht wissen, wie viele Reiseberichte mit dem folgenden oder ähnlichem Satz anfangen: "Einmal im Leben nach XXX, das stand schon so lange auf meiner Wunschliste". Tja, so auch dieser Reisebericht: Einmal im Leben an die Grenze von Nord- und Südkorea. das stand schon so lange auf meiner Wunschliste. Wirklich! Ehrlich gesagt wären wir am liebsten gleich nach Nordkorea gereist, die Neugierde ist einfach übermächtig. Warum das aber seit Jahrzehnten keine allzu gute Idee ist, brauche ich vermutlich niemandem mehr erklären, Nordkorea ist jedem ein Begriff. Dieses verschlossenste aller Länder ist DAS Mysterium unseres Jahrhunderts. Kims Reich hinter Zäunen, Mauern und Schranken insbesondere in den Köpfen der Menschen ist beängstigend und faszinierend zugleich.
In die verborgene Welt von Nordkorea zu reisen ist mit erheblichen logistischen und finanziellen Aufwänden zwar möglich aber wenn dir deine persönliche Sicherheit am Herzen liegt, lässt du das (für den Moment) besser bleiben. Wenn du dennoch, wie wir, einen kleinen Blick nach Nordkorea werfen möchtest, dann kannst du das auch von Südkorea aus tun. Denn Südkoreas pulsierende und wunderschöne Hauptstadt Seoul liegt nur knapp 60 Kilometer von Nordkorea entfernt. Warum Seoul für mich die mit Abstand schönste Stadt in Asien ist, kannst du in unserem Reisebericht nachlesen:
Touren zur nord- und südkoreanischen Grenze
Unzählige Anbieter bieten von Seoul aus diverse Ausflüge an die Grenze an. Genauergenommen in die demilitarisierte Zone. Diese Zone ist 248 Kilometer lang und ungefähr vier Kilometer breit. zwei Kilometer in jedes der beiden Koreas hinein ragt eine Pufferzone, die die eigentliche Grenze, die sogenannte militärische Demarkationslinie, umhüllt. Zwar ist das Angebot online für diese Touren unüberschaubar, am Ende lässt sich bei genauerem Vergleich aber feststellen, dass alle Anbieter nahezu das gleiche anbieten. Zwei Pakete begegnen uns bei unserer Recherche im Vorfeld immer wieder:
Denn der zweite interessante Ort zwischen Nord- und Südkorea ist die sogenannte Joint Security Area Panmunjom, kurz JSA. Das ist eine kleine militärische Siedlung innerhalb der DMZ, in der der Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea überwacht wird. Die kleinen blauen Häuschen mit den breitbeinig und regungslos stehenden Soldaten im Vordergrund sind dir aus den Medien ganz sicher ein Begriff. Hier haben sich die Präsidenten von Nord- und Südkorea im Sommer 2018 das erste mal nach Jahrzehnten die Hände gereicht. Es ist der Schmelztiegel eines der gefährlichsten Konflikte unseres Planeten und dennoch kann man ihn (warum auch immer) als Tourist besichtigen. Da nur siebzig Personen pro Tag in diesen Bereich gelassen werden, muss eine Tour nach Panmunjom oft Monate im Voraus gebucht werden. Für unseren recht spontanen Trip nach Südkorea war das leider zu spät und so mussten wir uns mit der Tour durch die DMZ begnügen. Anmerkung an mich: Nur halb von der Bucketlist streichen…
Die bekanntesten Gebäude in der JSA sind die drei blaue Baracken mit je einer Tür auf südkoreanischer bzw. nordkoreanischer Seite. Durch die Mitte verläuft die Grenze. Betrittst du eine der Baracken (was du tatsächlich darfst), stehst du de facto im hinteren Teil des Häuschens in Nordkorea. Zwei Soldaten bewachen die Türe zum jeweils anderen Land. Wenn du dieses einzigartige Stück lebende Geschichte aus der Nähe mit einer Tour betrachten willst, musst du früh dran sein. Ohne Tour mit lizensiertem Guide geht es in dem Fall selbstverständlich nicht. Hast du dann einen der seltenen Plätze im Jeep der UN durch Panmunjom ergattert, musst du einige Tage vor der Tour deinen Pass zur Kontrolle einreichen und auch dann kann es dir passieren, dass die Tour Tage oder nur Stunden zuvor abgeblasen wird. Es ist schließlich immer noch das Zentrum eines militärischen Konfliktes und das Militär hat in der JSA nun mal Vorrang. Neugierig? Die Tour in die JSA Panmunjom kannst du hier buchen:
Für uns kam diese Info leider zu spät und deshalb werde ich dir im folgenden Reisebericht von unserer Tour in die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea berichten, die deshalb aber natürlich nicht weniger interessant ist. Entschieden haben wir uns für eine Halbtagestour in die demilitarisierte Zone? Warum? Ganz einfach: Egal welche Tour bei welchem Anbieter du buchst, eines haben sie mysteriöserweise alle gemeinsam: Jeder Tourist wird am letzten Stop entweder zu einem Ginseng- oder einem Amethyst-Shop gekarrt und darf sich einen halbstündigen Vortrag über die Produkte anhören. Meine Theorie ist, dass sich diese Touren damit zusätzlich finanzieren. Da kommen Gedanken an Tuktuk-Fahrer aus Bangkok hoch, die den Fahrgast durch ein Anzuggeschäft karren um gratis Benzin zu bekommen. Das ist nicht nur ärgerlich sondern absolut überflüssig aber leider unausweichlich. Die Ganztagestouren haben keine wirklich größere Agenda, sondern lediglich mehr Zeit zum "Shopping" am Ende der Tour, kosten dafür aber mehr als das Doppelte. Daher fiel unsere Wahl auf die morgendliche Halbtagestour in die DMZ.
Die Freiheitsbrücke zwischen Nordkorea und Südkorea
Schon während der Fahrt zur DMZ wechselt sich das vorbeiziehende Land vom bebauten und lebendigen Seoul in karges Land ab. Gleich zur Linken der top ausgebauten Autobahn verläuft ein zweistufiger Zaun aus Natodraht, Wachtürmen und Überwachungskameras. Gleich dahinter fließt der breite Han-Fluss und dahinter, ja dahinter liegt dann auch schon Nordkorea. Sich unmittelbar nach dem Verlassen einer bunten Weltstadt wie Seoul in der militärischen Realität wiederzufinden ist ein seltsames Gefühl.
Der erste Halt auf Halbtagestour zur demilitarisierten Zone nach etwa einer Stunde Fahrt ist die sogenannte Freiheitsbrücke. Zugegeben der unspektakulärste Stop dieses Tages, denn mehr als eine Brücke im grünen Niemandsland ist das eigentlich nicht. Dennoch merkt man schon hier eine leichte militärische Anspannung, auch wenn es die Koreaner mit ihrer ganz eigenen Art schaffen, das ganze spürbar aufzulockern. Oder kannst du dir den folgenden Soldaten an einem der gefährlichsten Grenzen unserer Zeit ohne ein Schmunzeln ansehen?
Zu sehen gibt es an diesem Stop noch eine verrostete und von über eintausend Schusslöchern durchsiebte Lokomotive, die einst die beiden Länder verband und militärisches Material transportierte. Besonders schön anzusehen ist hier, wie im Folgenden auch auf der ganzen Tour der klar sichtbare Wille der Südkoreaner zur Wiedervereinigung. Es gibt Wände voller Wunschkarten und nahezu jeder Zaun ist bunt verziert mit Schlaufen, Bändern und einfach allem, was farbig ist. Ein schöner Farbklecks in dieser tristen, militärischen Zone.
Der dritte Infiltrationstunnel von Panmunjom
Weiter gehts nach gerade einmal fünfzehn Minuten, denn die Tour ist leider verdammt eng getaktet. Aber das hatten wir erwartet und daher ist das für uns auch absolut okay. Der nächste Stop ist der sogenannte 3. Infiltatrionstunnel. Die Nordkoreaner haben in den vergangenen Jahren nämlich kontinuierlich versucht, Tunnel unter der DMZ nach Südkorea hinein zu graben bzw. zu sprengen. Kein Witz. Mehrere Kilometer lang (und leider für uns Europäer fürchterlich niedrig) geht es fast siebzig Meter tief und mehrere hundert Meter lang unter die Erde. Schaust du zu deiner linken und deiner rechten, wirst du überall noch Dynamitlöcher der Sprengungen entdecken. Je Tunnel hätten unglaubliche 40.000 Soldaten pro Stunde nach Südkorea einfallen können, hätten diese die Tunnel nicht entdeckt und mit Betonplatten, Flutungen und jeder Menge Kameras an ihrem Scheitelpunkt ausgestattet und eine Touristenattraktion daraus gemacht. Die Nordkoreaner behaupten fleißig bis heute, die Tunnel würden dem Abbau von Kohle dienen und haben die Tunnel mit Kohlestaub versehen. Blöd nur, dass in dieser Region der Erde keine Kohle vorkommt und so bleibt diese Unwahrheit im Raum stehen. So interessant der Tunnel auch ist, leider sind Fotografien hier nicht erlaubt und so musst du an dieser Stelle mit deiner Fantasie vorlieb nehmen. Bevor es in den Tunnel geht, wird dir übrigens noch ein achtminütiger übertrieben ultraepischer Trailer auf US-Kinoniveau gezeigt, der dir die Geschichte der Tunnel nahelegen soll.
Anschließend hast du noch ein wenig Zeit, dich in einem Museum mit Exponaten ein wenig mit der Historie dieser Grenze und den Tunneln außeinanderzusetzen. Uns Deutschen mit unserer Mauerhistorie kommt da vieles bekannt vor und sowieso wirkt diese ganze Grenzthematik selbst bei einem im wiedervereinigten Deutschland Gebohrenen wie mir erschreckend bekannt.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich hier aber unbedingt noch den DMZ-Fanshop. Ja, du hast richtig gehört. Es gibt tatsächlich einen Fanshop für diesen Schandfleck der Geschichte. Überhaupt scheint Korea und auch der Rest von Ostasien, den wir kennenlernen durften, ein Mekka für Souvenirshops zu sein. Ob DMZ-Kappen, DMZ-Schlüsselanhänger oder solarbetrieben DMZ-Wackelsoldaten, hier gibt es alles. Sogar DMZ-Schokolade, die mit dem Slogan "Die einzige DMZ-Schokolade der Welt" beworben wird, kannst du hier kaufen. Wer denkt sich so etwas aus?
Der verlassene Bahnhof Dorasan
Der nächste Stop auf unserem Halbtagestrip in die DMZ ist der Bahnhof Dorasan. Auf den ersten Blick ist das ein ganz normaler Bahnhof. Ein sehr schöner, neuer und moderner sogar. Auf den zweiten Blick auch. Auf den dritten Blick allerdings wirst du feststellen, dass hier bis auf ein paar wenige Touristen wie wir es sind, niemand ist. Der Bahnhof wurde von Südkorea für den Fall errichtet, die Verbindung nach Nordkorea wieder aufzunehmen aber mehr als ein Zug am Tag, der aus Seoul einige Touristen ankarrt und dann wieder zurückfährt, passiert auf diesem Bahnhof nicht. So sauber ist er, hier könnte man auf dem Boden essen und die Toiletten ähneln mehr einem klinischen Reinraum als einer Bahnhofstoilette.
Was hier und auch an allen anderen Spots auf dieser Tour so fasziniert, ist nicht auf Bildern festzuhalten sondern schwingt als Gefühl mit. Ein leerer Bahnhof ist eben auch nur ein leerer Bahnhof. Aber wenn du all diese Dinge in den geschichtlichen Kontext setzt und dich der Stimmung, die hier herrscht, öffnest, wirst du all diese Bauten und Bemühungen mit anderen Augen sehen. Lebende Geschichte eben. Auf dem Bahngleis entdecken wir dann auch noch, was wir hier so gar nicht erwartet hätten und doch passt es wie angegossen in diese Szenerie: Ein Stück Berliner Mauer. Leidensgenossen eben.
Einblick in das verschlossene Nordkorea: Das Dora-Observatorium
Der letzte Stop der Tour ist der, dem wir am meisten entgegengefiebert haben: Das Dora-Observatorium. Auf einer Anhöhe auf südkoreanischer Seite der DMZ ist eine Aussichtsplattform errichtet worden, die seltene Einblicke nach Nordkorea erlaubt. Auch wenn ich einer der ersten Menschen sein werde, der einen Fuß nach Nordkorea setzen wird, sobald die Zeit reif ist, ist dieser Einblick derzeit der beste, den du in das verschlossene Nordkorea erhaschen kannst. Das Observatorium teilt sich in einen mit Stühlen ausgestatteten Panorama-Aussichtsraum, der mich an einen Uni-Hörsaal erinnert und an eine überdachte Plattform mit ultrastarken, montierten Ferngläsern, die die Einblicke nach Nordkorea ermöglichen.
Wir haben, wie so oft auf dieser Weltreise, extremes Wetterglück, denn eine weite Sicht in das verschlossenen Nordkorea ist in dieser Region alles andere als selbstverständlich. Und so postieren wir uns mit einer Hand voller Won-Münzen für die Ferngläser vor den Geräten und erkunden Nordkorea aus der Distanz.
Auf dem oberen Bild siehst du durch das linke Fernglas den UN-Posten, der Nord- und Südkorea trennt. Umgeben von mehreren Reihen Stacheldraht wachen hier UN-Soldaten über die Einhaltung des Waffenstillstandes. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute noch nicht, damit befinden sich die beiden Koreas rein völkerrechtlich gesehen noch im Krieg. Im rechten Fernglas kannst du das Grenzdorf Gijeong-dong sehen. Bis auf einen gigantischen Fahnenmast mit der Nordkoreanischen Flagge drauf, gibt es hier aber nicht viel zu sehen, denn: Das Dorf ist ein einziger Fake und wurde von Nordkorea nur zum Zwecke der Propaganda errichtet. Lichter gehen, wenn überhaupt immer zur selben Zeit an und aus und auf den Straßen lassen sich keine Menschen blicken. Bei genauerem Hingucken wirst du feststellen, dass die Fenster nicht einmal verglast sind. In einem Land, in dem es im Winter deutlich in die Minusgrade gehen kann, ist das unvorstellbar.
Auch die Grenzanlagen lassen sich vom Dora-Observatorium aus sehr gut erkennen. Auf der linken Seite des Zauns befindet sich Südkorea, auf der rechten Nordkorea. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, dass die nordkoreanische Seite gerodet ist, wohingegen auf der anderen Seite die Natur wuchert. Wir fragen unseren Guide und sie erklärt uns, dass die Nordkoreaner ihren Teil der DMZ kahl halten, um eventuelle Flüchtlinge besser entdecken und erschießen zu können. Und schon ist sie wieder da, die bittere Realität.
Nach diesen spannenden und auf der Welt einmaligen Einblicken in ein verschlossenes Nordkorea fahren wir mit dem Kleinbus nach Seoul zurück. Nur eine Autostunde entfernt trennt diese Metropole eine gefühlte Welt von dem, was wir an diesem Tag über Nordkorea erfahren haben. Klar ähneln die Touren ein bisschen einer touristischen Kaffeefahrt aber dennoch ist es derzeit der beste Einblick, den du nach Nordkorea und die Geschichte des geteilten Korea haben kannst. Für uns war es eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten! Wenn du unsere Tour auch besuchen möchtest, findest du sie zu einem Preis von derzeit 4.300,00 JPY (ca. 35,71 Euro) aufwärts hier: