Es blubbert in Rotorua. Überall in den Hinterhöfen, Vorgärten und kleinen Parks, aus Gullis und manchmal auch einfach aus dem scheinbar undurchlässigen Boden. Damit einher geht je nach Windrichtung ein ausgesprochen ekelhafter Schwefel-Geruch, der faulen Eiern und einem gestörten Verdauungstrakt wohl am nächsten kommt. Zum Glück steht der Wind gut in diesen Tagen und so kann ich in einem gemütlichen Hostel in Rotorua vier angenehme Tage verbringen. Unterwegs bin ich mit Trang, Paulina und Lennart aus Deutschland sowie Patrick aus der Schweiz. Irgendwie finden sich dann doch eben immer die Menschen mit der geringsten Sprachbarriere, auch wenn Englisch kein Problem mehr darstellt. Nach kühlen und leider nicht sonderlich sonnigen vier Tagen brechen wir zusammen mit dem Bus gen Taupo auf.
Auf dem Weg nach Taupo gelegen machen wir einen kurzen Zwischenstopp an den majestätischen Huka-Wasserfällen. Wir nutzen die Gelegenheit für ein paar hübsche Fotos bevor es wieder zurück in den Bus geht. Die Stadt Taupo liegt am gleichnamigen See Lake Taupo. Der Vulkankrater ist mit einer Größe von unglaublichen 622 Quadratkilometern der größte See Australasiens. Vor etwa 26.500 Jahren veränderte die größte Eruption seit hunderttausenden von Jahren das Weltklima und schuf als Folge des Einsturzes einer gigantischen Magmakammer den Lake Taupo und seine Umgebung. Die Region um die Stadt ist bis heute eine der vulkanisch jüngsten und aktivsten Gebiete der Welt.
Heute ist Taupo ein beliebter Rückzugsort für wohlgesittete Neuseeländer, ein Segelmekka und Eldorado für Angelfreunde. Die Stadt rühmt sich ebenfalls damit, das Abenteuerzentrum der neuseeländischen Nordinsel zu sein. Und wirklich, hier kann man eine schier unüberschaubare Menge an Aktivitäten buchen und erleben. Für mich ist das momentan nicht relevant, denn die zweite Abenteuerhochburg des Landes und wahrscheinlich auch der ganzen Welt wartet in einigen Wochen auf mich: Queenstown. Und so steht auf meinem Wunschzettel für meinen Aufenthalt in Taupo nur eines, aber das hat es in sich: Das Tongariro Alpine Crossing!
Das Tongariro Alpine Crossing
Als Kulisse für das dunkle Mordor aus Peter Jacksons Der Herr der Ringe benutzt, gelangt der Tongariro National Park Anfang des Jahrtausends zu Weltruhm. Überragt wird er vom unglaublich beeindruckenden knapp 2300 Meter hohen Mount Ngauruhoe, besser bekannt als Mount Doom oder in der deutschen Fassung der Romane und Filme als Schicksalsberg, dem Berg in welchem einst der eine Ring geschmiedet wurde (Titelbild, schwarzer Berg). Auch die Totensümpfe (siehe Bild oben) und die Ebene von Mordor (Titelbild, vor Mount Ngauruhoe) haben hier ihre Heimat. Bis auf 1700 Meter geht es hoch, sieben Stunden werden wir laufen und wirklich: Auf der 20 Kilometer langen Wanderung komme ich mir mehr als einmal vor wie in einer anderen Welt.
Das Wetter hier oben wechselt schnell. Mal brauchen wir lange Hosen, Fleecepullover, Wind- und Regenjacken, mal reichen kurze Hosen und Shirts. Oft liegen nur wenige hundert Meter zwischen furchtbar warm und schrecklich kalt. Der Aufstieg bringt uns an manchen Stellen an körperliche Grenzen und ist oftmals extrem uneben und durch das große aber vor allem das kleine Lavageröll sehr rutschig. Manchmal kann ein falscher Schritt einen hunderte Meter tiefen Absturz bedeuten, erst vor wenigen Wochen kam hier ein Wanderer bei einem Absturz ums Leben. Das Geröll ist unter meinen gewöhnlichen Straßenschuhen manchmal wie spiegelglattes Eis und kostet mich einige an Nerven.
Die Natur hat hier über tausende und tausende von Jahren bizarre Landschaften geformt. hohe Vulkane, rauchende Magmaschlote, türkisblaue und wunderschöne aber hochgiftige Schwefelseen, weite, schier unendliche und vom Wind gezeichnete Ebenen aus purem Nichts, skurrile Schluchten aus erstarrtem Lava und wolkenbrechende, schneebedeckte Gipfelketten. Es sieht hier wirklich aus wie in J.R.R. Tolkiens Mordor aber eben auch ein wenig wie auf dem Mars. Mit der uns gewohnten Erde jedenfalls hat diese Gegend aber wirklich nichts gemeinsam. Kein Baum wächst hier, kein Tier lebt hier, kein Bach fließt hier.
Nach etwa vier Stunden erreichen wir den Gipfelkamm des Tongariro Alpine Crossings: Halbzeit! Der Wind weht kräftig, die Aussicht ist atemberaubend. Stunden über Stunden könnte ich hier stehen und die skurrile lavageformte Landschaft in mich aufnehmen. Ich lasse mich auf einem vom Vulkan erhitzten Stein nieder und genieße die Stille. Man fühlt sich frei und erhaben, so einsam über allem schwebend, am Ende dieser Welt.
Schön mit Dir auf Weltreise zu gehen :-)