Es ist still an diesem frischen Sommermorgen. Sehr still. Tau spiegelt sich kilometerweit auf dem Boden der schier endlosen Weite vor mir. Cape Reinga auf der neuseeländischen Nordinsel ist ein wunderschöner, ein magischer Ort. Hier, genau hier, treffen pazifischer Ozean und die wilde Tasmansee aufeinander. Unfassbare dreizehntausend Kilometer lang kommt… nichts. Und dann, hinter dem Nichts, irgendwann die russische Beringsee. Und auch der Blick zurück offenbart hier am nördlichsten Punkt Neuseelands einfach nur unendliche Weite, rauen Wind und Einsamkeit. Kein Mensch scheint sich je hier hin verirrt zu haben, kein Tier setzt sich dem peitschenden Wind länger als nötig aus. Lediglich ein paar Seerobben tummeln sich vergnügt an den spitzen Klippen der Küste. Te Rerenga Wairua nennen Neuseelands Ureinwohner – die Māori – diesen Ort: Absprungplatz der Geister. Von hier aus starten die Seelen der Toten den langen Pilgerweg in die ewige Heimat. Reinga ist für die Māori ein heiliger Ort. Und wirklich, er hat etwas Magisches, etwas Bedrückendes aber auch etwas unheimlich Schönes an sich.
Einsamkeit. Schon der Klang dieses Wortes hat etwas melancholisches und oft verbinden wir etwas negatives, etwas bedrückendes mit ihr. Wir wollen nicht einsam sein. Wir wollen nicht einsam leben, wir wollen nicht einsam sterben, wir wollen nicht einsam einschlafen und nicht einsam aufwachen. Und so wollen wir nicht einsam reisen. Wir mögen Einsamkeit nicht. Warum also nun eine Hommage an die Einsamkeit?
„In der vollkommenen Stille hört man die ganze Welt“
…das wusste schon Kurt Tucholsky. Und ja, genau so ist es. Es sind die einsamen Flecken, die vor Schönheit nur so sprudeln. Es sind die einsamen Momente, in denen die Erkenntnis kommt. Es sind die einsamen Orte, an die man sich in stürmischen Stunden flüchtet. Und schon ist Einsamkeit mehr als nur ein bedrückendes Gefühl. Es ist ein Sehnsuchtsort. Auf einmal ist es die größte Freiheit, die man erreichen kann.
Denn was ist freier als Einsamkeit?
Freiheit ist, einsam sein zu können
Rückblickend an all meine Reisemomente – und das sind sehr viele – sind genau diese Momente mit die prägendsten und auch diejenigen, an die ich mich mit am liebsten zurückwünsche: Die Ferne von Cape Reinga, die Weite des australischen Nambung, das Meer von Fiji oder die Berge von Sapa. Unser schönes Europa gehört mit zu den am dichtesten besiedelten Gebieten unserer Erde. Um also Einsamkeit im Sinne der Freiheit wirklich zu erleben, müssen wir weit reisen. Natürlich sind auch die schottischen Highlands oder die spanischen Pygmäen Orte von schier grenzenloser Einsamkeit aber gefühlt ist man auch dort nah und irgendwie im Herzen der Zivilisation. Die nächste größere Stadt ist nur wenige Stunden entfernt, innerhalb eines Tages könnte man wieder in seinem weichen Bett liegen. Erst mit einer gehörigen Portion Distanz hat sich zumindest für mich eine Freiheit, eine schöne und positive Einsamkeit eingestellt. Eine Einsamkeit, die auf dem Wissen beruht, daran in absehbarer Zeit auch nicht viel ändern zu können. Paradoxerweise ist es für mich genau diese Einschränkung, die für mich Freiheit bedeutet.
Die Angst vor der Einsamkeit
Alleine Reisen ruft bei vielen Menschen Verwunderung, Unverständnis, Respekt aber vor allem auch Unbehagen vor. Ich selbst habe mich vor meiner ersten Weltreise auch vor dem Alleinereisen gefürchtet. Ich habe zwanghaft versucht, vor meinem Start gleichgesinnte Reisende kennenzulernen um nicht alleine auf mir fremden Kontinenten zu stranden. Funktioniert hat das alles nicht so richtig. Es war aber auch nicht nötig. Es ist gerade die Tatsache des Alleinereisens, die mich nie hat alleine sein lassen, wenn ich es nicht wollte. Warum? Weil gerade Alleinereisende andere Alleinereisende suchen und finden. Und zwar derart offenherzig und schnell, dass das Gefühl des Alleineseins niemals wirklich aufkam. Alleine zu sein ist also nicht mit Einsamkeit gleich zu setzen.
Einsamkeit ist für mich, sich selbst zu finden, finden zu können und vor allem finden zu dürfen. Oder wie Hermann Hesse zu sagen pflegte: "Einsamkeit ist der Weg, auf dem das Schicksal den Menschen zu sich selber führen will."
Eine sehr schöne Beschreibung von Einsamkeit. Ich habe so auch versucht über Einsamkeit nachzudenken und ich have das Gefühl dass ich mehr große Magie sehen kann wenn ich alleine bin und viele Dinge entstehen und ich mich viel intensiv über die Welt wundere. Ich habe es geliebt alleine zu reisen und meine engste Freundin zu werden. Vielleicht sollte ich anfangen das wieder so zu sehen dass ich mir ja selber Gesellschaft bin so wie auch der Ort an dem ich bin. Aber ich habe das Gefühl dass wenn man alleine ist man sich selber kontinuierlich einen Sinn schaffen muss. Auf lange Sicht reicht es allerdings nicht einen Sinn für mich selber zu kreieren sondern suche nach einem Sinn einer Aufgabe von der mehr als ich profitieren oder zumindest etwas was mir einen „höheren“ Sinn gibt. Ich habe das Gefühl ich brauche es dass andere Leute von mir abhängen damit ich einen Sinn über längere Zeit habe. Und dass erhoffe ich mir wenn ich in einer Gruppe integriert bin von Freunden oder einfach Menschen. Ich würde mich freuen Gedanken zu dem Gefühl zu hören;)