Vor zwei Wochen habe ich Hamburg verlassen. Unsere Wohnung an der Alster? Aufgelöst. Unser Hab und Gut? Verkauft. Verträge? Ausgelaufen. Verpflichtungen? Erfüllt. Alle. Mittlerweile bin ich in Köln, meiner Heimat, angekommen: Zwei Wochen "Abschiedstournee". Und während die Zeit unaufhaltsam weiter verrinnt, will bei mir noch immer so recht keine Vorfreude aufkommen. Jetzt, nicht einmal mehr vier Tage vor dem Beginn unserer Weltreise. Warum? Dies sind meine letzten Gedanken vor unserer Weltreise.
Freiwerden ist ein Vollzeitjob
Vielleicht, nein ziemlich wahrscheinlich sogar ist es einfach die Tatsache, dass ich einfach nicht begreifen kann, was da in wenigen Tagen auf uns zurollt. Zwar habe ich 2013/2014 Ähnliches schon einmal erlebt, aber diese Reise jetzt in wenigen Tagen ist anders. Warum? Lasst euch überraschen. Das Jahr 2017 war für mich ein extrem Intensives und auch ein sehr Erfolgreiches. Vor allem aber war es bisher ausgesprochen rasant und noch immer lassen mich letzte Aufgaben und letzte Arbeiten nicht zur Ruhe kommen. So sehr ich mir auch gewünscht hätte, mal ein paar wenige Tage in mich gehen und begreifen zu können, so wenig rechte die Zeit dafür aus. Es scheint wohl irgendwie in der Natur der Sache zu liegen, dass man für eine lange freie Zeit davor umso mehr durch die Mangel gedreht wird: Studium, Wohnungsauflösung, Auszug, Impfungen, Gesundheitchecks, Reiseroutenplanung, Gepäckplanung, Pässe, Visa, Bankkram, dieser Blog und ein Abschied nach dem anderen: Freiwerden ist ein Vollzeitjob. Freisein nicht.
"Und schon aufgeregt?"
"Und schon aufgeregt? Wann geht es los? Wo geht es als erstes hin? Wie macht ihr das mit dem Geld? Ist das nicht gefährlich?" Wenn ich noch einmal eine dieser Fragen hören und beantworten muss, wird mir vermutlich ein Ohr abfallen: "Nein, bald, gen Westen, gespart, Ansichtssache." Na Gott sei Dank hat jeder Mensch zwei Hörmuscheln… Nicht falsch verstehen: Ich freue mich unterbewusst ungemein, ich bin entgegen meiner Reiseerfahrung und auch meinen Erwartungen aus vielen Gründen aber hypernervös und wenn man eine Reise über zwei Jahre akribisch plant, möchte man vielleicht einfach endlich loslegen, aus Theorie endlich Praxis werden lassen. Unsere Weltreise ist noch immer genau so ein Konstrukt wie sie es vor zwei Jahren war, nur dass es eben in vier Tagen losgeht.
"Ihr macht das genau richtig!"
Ja! Das finden wir auch. Reisen bildet, Reisen macht glücklich, Reisen baut Vorurteile ab, Reisen lässt reifen. Und auch nach abgeschlossener Ausbildung und abgeschlossenem Studium kann ich nur sagen: Es sind die Erfahrungen aus aller Welt, die für mich unverzichtbar sind und die mich zu dem machen, der ich bin. Kein Abschlusszeugnis, kein Zertifikat. Niemals. Wenn in fernerer Zukunft dann Klein Ingo-Udo-Marius Junior II. auf dem Schoß seines Opas sitzt, wird er ihn bestimmt nicht nach seinen Creditpoints fragen, oder? Auf meiner letzten Weltreise habe ich für's Leben gelernt und nachdem ich jetzt weitere drei Jahre Studium hinter mich gebracht habe, freue ich mich einfach unfassbar, endlich wieder etwas wirklich Wichtiges zu lernen: Wertzuschätzen, wie schön unsere Welt ist, wie gut wir es hier haben und einfach da raus zu gehen und wieder zu leben, durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Wenigstens innerlich.
"You see me I be work, work, work, work, work, work"
…wusste schon die weise Rihanna. Und auch wenn die Gute darüber hinaus sonst nicht allzu viel weiß: Das stimmt! Wir machen uns "dreckig für ein wenig von dem da", wie es bei ihr weiter heißt, aber darauf haben Cosi und ich gerade keine Lust. Gaanz einfach. Die mittleren Zwanziger sind die goldenen Jahre und die verbringen wir beide einfach lieber unter der goldenen Sonne als auf einem vergoldeten Bürostuhl. Irgendwer da oben hat uns in der Jugend ein Jahr gemopst und lässt uns hinten hinaus viele Jahre länger ackern. Da wird man sich ja eine Auszeit nehmen können, bevor man sich lemminghaft in den Maschinenraum stürzt. Denn eine Karriereleiter ist auch nur ein gebogenes Hamsterrad, oder nicht? Es freut uns ungemein, dass es so unfassbar viele Menschen gibt, die genau diese Einstellung mit uns teilen! Das gibt uns Kraft und Mut zu wissen, dass wir das Richtige tun. Danke!
Was jetzt vielleicht negativ klang, ist einfach nur nachdenklich. Wie ich immer bin. Der Kopf ist so voller Gefühle, das Herz so schwer vom Freiwerden und die Zeit rennt schneller, als man sie einfangen kann. Ticktack. Weltreisen ist ein Privileg und das genieße ich schon im Vorfeld jeden Tag. Freude!! Also Rucksack packen, Schuhe schnüren, Krone richten! Die Nase in den Wind, die Wangen in die Sonne!
Oder wie es Hermann Hesse sagte:
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Lebt wohl, Hamburg, Köln und Deutschland, Kollegen, Kommilitonen, Freunde und Familien. Wenn wir euch fehlen, haltet es mit dem alten Hermann: Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…
Gut das ich nicht eine dieser Fragen gestellt habe und nur Svenja gefragt habe ob sie das weiß ;-)